Redebeitrag der [AAHM] vom 6.2.2020

Der nachfolgende Redebeitrag basiert auf einem nun schon etwas älteren Flugblatt, welches jedoch an einigen Stellen gekürzt und an anderen Stellen um aktuelle Informationen ergänzt wurde. Der Redebeitrag soll als Informationsgrundlage zur Bewertung des AfD Kreisverband Weserbergland dienen und dabei insbesondere herausarbeiten, dass es sich bei diesem um einen klar völkischen Kreisverband handelt, der dem faschistischen Flügel um Björn Höcke und Andreas Kalbitz zuzurechnen ist. Dem faschistischen Flügel der AfD geht es nicht um eine (bereits ebenfalls gruselige) Rückkehr in die verstockt-konservativen 50er und 60er des vergangenen Jahrhunderts, sondern um eine Anknüpfung an völkisches Gedankengut aus den 1920er und 30er Jahren und letztlich die Abschaffung der Demokratie zu Gunsten eines völkischen Kollektivs mit einem von einer Führerperson verkörperten einheitlichen Willen.

NS-Relativierung und Höcke-Unterstützung

Bereits kurz nach ihrer Gründung, als die AfD noch medial als „Sammelbecken für Unzufriedene“ verharmlost wurde, äußerte sich die AfD Weserbergland zum Be­schluss gegen den NS-Verbrecher Oskar Gröning – und offenbarte dabei: Die Bezeichnung der Partei als „euroskeptisch“ oder „konservativ“ verkannte schon damals deren faschistisches und NS-verharmlosendes Weltbild.

Ausgangspunkt war eine historische Entscheidung des Bundesge­richtshofs (BGH) vom 28. November 2016, indem die Richter*innen ein Urteil des Land­gerichts Lüneburg bestätigten. Dieses hatte den ehemaligen SS-Mann Oskar Gröning wegen Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen zu vier Jahren Haft verurteilt. Opfervertreter*innen hatten diesen Paradigmenwechsel in der Rechtsprechung lange erhofft. Der Rechtsanwalt Thomas Walther, der im Prozess gegen den ehemaligen Wachmann in Auschwitz mehrere Nebenkläger*innen vertrat, reagierte erfreut. Mit dem Beschluss sei es künf­tig „juristisch einfacher, ehemalige SS-Männer anzuklagen und zu verurteilen“, sagte er gegen­über Spiegel Online. Auch der Leiter der zen­tralen Stelle der Länder zur Aufklärung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg, Oberstaatsanwalt Jens Rommel, befand die Entscheidung des BGH als eine „ganz wichtige“.

Die AfD Weserbergland reagierte mit einem Beitrag auf ihrer Internetseite auf den Beschluss des BGH, in dem der Nationalsozialismus rela­tiviert wird. Etwas Gutes daran sei, dass „sich demnächst niemand mehr in der bundesdeut­schen Verwaltung damit herausreden“ könne, „er hätte nur die Verwaltungsvorschriften befolgt“. Verantworten müssten sich die Verwaltungsan­gestellten, weil sie „dafür gesorgt“ hätten, „dass kulturfremde Einwanderer auf die deutsche Be­völkerung losgelassen“ würden. Die AfD Weser­bergland phantasiert „unzählige Totschlagsde­likte, Vergewaltigungen, Brandschatzungen und Raubüberfälle zusätzlich […], die es ohne be­schränkte Massenmigration niemals gegeben hätte.“ Zudem wäre es im Nationalsozialismus schwieriger gewesen einen Befehl zu verweigern als heute, da „nachweislich nicht mal ein Erschießungskommando bei Befehlsverwei­gerung“ drohe. Hier nutzt die AfD Weserberg­land die Verurteilung von NS-Verbrechen für die eigene rassistische Agenda und setzt die Be­teiligung an 300.000 Morden mit der Aufnahme geflüchteter Menschen durch kommunale Ver­waltungen gleich.

Dieser Beitrag erschien einen Tag nach dem Beschluss des BGH auf der offiziellen Internet­seite des Kreisverbandes der AfD. Dem Impres­sum war zu entnehmen, dass Dr. Manfred Otto für die Homepage verantwortlich war. Er ist Vor­standsvorsitzender der AfD Weserbergland und seit den Kommunalwahlen im September Fraktionsvorsitzender für selbige im Kreistag von Holzminden. Wo er sich selbst politisch verortet, verdeutlicht ein Eintrag auf dem damaligen twitter-Account der AfD Weserbergland: Manfred Otto posiert auf einem Foto mit dem extrem rechten Vorsitzenden der AfD Thüringen, Björn Höcke. Betitelt ist dieses Bild mit den Worten: „Politisch voll auf einer Linie.“

Beide zählen zu den 20 Erstunterzeichner*in­nen der sogenannten „Erfurter Resolution“. Diese Resolution stellt das Gründungs­papier des völkisch-nationalistischen Flügels in­nerhalb der AfD dar. Die bekanntesten Vertreter des „Flügels“, Björn Höcke, Andreas Kalbitz und (der mittlerweile ausgeschiedene) André Poggenburg, sind in der Vergangenheit immer wieder durch extrem rechte Äußerungen aufgefallen. Beispielsweise forderte Höcke eine erinnerungspolitische Wende „um 180 Grad“ und bezeichnete das Holocaust-Mahnmal in Berlin als „Denkmal der Schande“. Außerdem legen die umfangreichen Recherchen des Soziologen Andreas Kemper aus Münster den Schluss nahe, dass Björn Höcke unter dem Pseudonym „Landolf Ladig“ Artikel für eine NPD-Regionalzeitung verfasste, die in seiner Eichsfelder Wahlheimat verbreitet und von dem militanten Neonazi und NPD-Bundesvor­standsmitglied, Thorsten Heise, herausgegeben wurde [2]. Mittlerweile wurde darüber hinaus bekannt, dass Höcke im Jahr 2010 an einer Demonstration von Neonazis in Dresden teilgenommen hat [3]. In einer umfassenden Expertise zu Björn Höckes politischem Wirken kam der eben bereits genannte Soziologe Andreas Kemper bereits vor geraumer Zeit zu der Einschätzung, dass Höcke nach wissenschaftlichen Kriterien nicht als Vertreter des Konservativismus sondern des Faschismus einzustufen ist [4]. Mittlerweile darf Höcke sogar unter Beruf auf ein entsprechendes Gerichtsurteil als „Faschist“ bezeichnet werden. Was es vor diesem Hintergrund heißt, mit ihm politisch „voll auf einer Linie“ zu sein, sollte daher klar sein.

Dass diese Begeisterung für den Thüringer Rechtsaußen nicht nur eine Marotte des ehema­ligen Ministerialrats, Manfred Otto, ist, zeigen die über die offizielle Internetpräsenz der AfD Weserbergland verbreiteten Bilder von weiteren Kreisverbandsmitgliedern, die sich ganz offenbar voller Freude an der Seite dieser mehr als frag­würdigen Figur ablichten lassen. Jüngst zeigten sich Delia Klages und Manfred Otto als begeisterte Unterstützer und Mitfeiernde bei der Landtagswahlparty der Thüringer AfD mit ihrem Idol Höcke.

Die AfD Weserbergland hatte sich zudem durch die Wahl von Armin-Paul Hampel zum Direkt­kandidaten für die Bundestagswahl 2017 im hiesigen Wahlkreis 46 erneut weit rechts positioniert. Hampel zählt ebenfalls zu den Unterstützern von Höcke, was dieser vor geraumer Zeit durch seinen Widerspruch gegen den ge­planten Ausschluss Höckes wegen seiner zahl­reichen extrem rechten Aktivitäten aus der AfD zum Ausdruck brachte [5]. Auf einer Wahlver­sammlung im Hamelner Hotel Mercure wurde zudem eine Resolution gegen den Parteiaus­schluss Höckes verabschiedet. Hampel stand damals nicht nur wegen seines autoritären Führungsstils innerhalb des niedersächsischen AfD-Landesver­bandes in der Kritik. Größere mediale Aufmerk­samkeit erregte Hampels Auftritt bei einer Ver­anstaltung des extrem rechten Vereins „Arbeits­kreis für deutsche Politik e. V.“(AfdP)[6].Kurz nach seiner Gründung war der AfdP in das Visier staatlicher Ermittler geraten, da sich auf Veran­staltungen des Vereins extrem rechte Teilneh­mer*innen und Referenten*innen befunden hät­ten. Noch immer soll der Vorstand der AfdP mit Mitgliedern des extrem rechten Spektrums besetzt sein.

Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit

Vor nun über einem Jahr organisierte die AfD Weserbergland eine Veranstaltung mit dem sog. Schriftsteller Akif Pirinçci im Hamelner Hotel Mercure, wo sie sich bis zum heutigen Tage auch weiterhin regelmäßig (nicht-öffentlich) trifft. Im März 2014 löste die Veröffentlichung seines Buchs „Deutschland von Sinnen: Der irre Kult um Frauen, Homosexuelle und Zuwanderer“ neuerlich eine Debatte um Integration und den gesellschaftlichen Zustand in Deutschland aus. Türkân Kanbıçak, Mitarbeiterin des Pädagogi­schen Zentrums Frankfurt am Main, fasste den Inhalt so zusammen: „Kein Stammtischthema wird ausgelassen. Denunziativ, kulturrassistisch, homophob, frauenfeindlich und voller Mensch­enverachtung beschwört er den „gegenderten“ deutschen Mann, nun endlich wieder ein ,rich­tiger Mann‘ zu werden, seine Angst abzulegen und sich von historischer Schuld zu befreien! Und all dies in obszöner, vulgärer, sexualisierter Sprache, damit ihn auch jeder versteht.“

Dass ihnen Form und Inhalt der Arbeiten von Pirinçci zu gefallen scheinen, bringen die AfD-Mitglieder des Kreisverband Weserbergland mit einem Erinnerungsfoto zum Ausdruck, auf dem sie sich sichtlich erfreut um diesen Schriftsteller scharen, der auch als Redner bei einer Pegida-Versammlung in Dresden für Aufsehen sorgte, als er mit Blick auf den richtigen Umgang mit Geflüchteten in Deutschland äußerte: „Es gäbe natürlich andere Alternativen, aber die KZ sind ja leider derzeit außer Betrieb.“ [7].

Ihren Faible für (nach Maßstäben der Vernunft) unerträgliche Referenten unterstrich die AfD Weserbergland zuletzt durch die Einladung des Chefredakteurs des antisemitischen und verschwörungstheoretischen COMPACT-Magazins, Jürgen Elsässer. Auch diese Veranstaltung fand im Hamelner Hotel Mercure statt und zog im Wesentlichen das für AfD Veranstaltungen typische Ü60-Sauerstoffzeltklientel an.

Leugnung des Holocaust

Ein weiteres ehemaliges (und mittlerweile verstorbenes) Kreisvorstandsmit­glied, Gunnar Baumgart, leugnete in einem Beitrag auf seinem privaten Facebook-Profil den Holocaust. Eine Distanzierung durch den Kreis­vorsitzenden Otto erfolgte erst nachdem lokale und überregionale Medien einen öffentlichen Druck aufgebaut hatten. Damit schien der Fall erledigt und wegen fehlenden öffentlichen Inter­esses wurde das Verfahren gegen Baumgart gegen eine niedrige Strafzahlung eingestellt.

Von der Öffentlichkeit kaum bemerkt, wurde die offizielle Distanzierung des AfD Kreisver­bandes von Baumgart nur einen Monat später durch das damalige Vorstandsmitglied und jetzige Kreistagsmitglied in Hameln-Pyrmont, Eckhard Reichenbach, konterkariert.

In einem viel zu wenig beachteten Leserbrief in der Deister- und Weserzeitung (DEWEZET) zieht Reichenbach in vergleichsweise komplexen Formulierungen Parallelen zwischen Baumgart und dem „Leugner von einst“, Galileo Galilei und deutet somit an, dass die Geschichte vielleicht auch den Leugnern des Holocaust irgendwann recht geben mag. Bisher ist diese Ungeheuerlichkeit nicht weiter thematisiert worden, vielmehr durfte Reichenbach aufgrund seines Alters die erste Sitzung des neu gewählten Kreistag mit einer Rede eröffnen, in der er sich über „Refugees welcome“-Aufkleber in Hameln beklagte.

Verbreitung extrem rechter Ideologie

Auf ihrer Homepage und auch auf ihrer Facebook-Seite veröffentlicht(e) die AfD Weser­bergland immer wieder Beiträge mit verschwör­ungstheoretischen, antisemitischen, antifeminis­tischen und rassistischen Inhalten. Die geteilten Beiträge extrem rechter Medien wie bspw.: „Volksbote“, „Volksbetrug“, „Compact“ und „Identitärer Bewegung“ geben Aufschluss über die Ideologie der AfD Weserbergland.

Inzwischen wurde die Facebook-Seite „Alter­native für Deutschland – Kreisverband Weser­bergland“ gelöscht und eine neue erstellt. Das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Kreisverband extrem rechte Positionen vertritt. Der Post zum Gröning-Urteil belegt einmal mehr das rassistische, menschenverachtende und NS-Verbrechen relativierende politische Programm des Kreisverbandes.

Quellenverzeichnis

[1] https://afnpnds.noblogs.org/post/2016/12/04/keine-euroskepsis-keine-zuwanderungskritik/
[2] https://andreaskemper.org/2016/01/09/landolf-ladig-ns-verherrlicher/
[3] https://www.zdf.de/nachrichten/heute/videos/hoecke-2010-bei-neonazi-aufmarsch-100.html
[4] http://www.th.rosalux.de/fileadmin/ls_thueringen/dokumente/publikationen/RLS-HeftMissionHoecke-Feb16.pdf
[5] http://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/AfD-Niedersachsen-will-Rechtspfosten-Hoecke-halten,afd988.html
[6] http://www.haz.de/Nachrichten/Der-Norden/Uebersicht/AfD-Chef-Hampel-spricht-vor-rechtem-Verein-Arbeitskreis-fuer-deutsche-Politik-eV
[7] http://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-10/akif-pirincci-pegida-demonstration-fremdenfeindlichkeit-ermittlungen-staatsanwaltschaft-dresden