Redebeitrag von Organize [HM] vom 12.09.2020

Zunächst einmal möchten wir uns bei der Seebrücke Hameln für die Organisation der heutigen Kundgebung sowie die Möglichkeit, diese mit unserem Redebeitrag abzuschließen, herzlich bedanken. Auch wir teilen das Anliegen, die menschenunwürdigen Zustände an den europäischen Außengrenzen zu beenden, wissend, dass diese nicht das Ergebnisse unabänderlicher Naturzwänge sondern bewussten menschlichen Handelns bzw. viel mehr Nicht-Handelns sind.

Unter der Annahme, dass unsere Vorrednerinnen und Vorredner alles Wesentliche zu diesem Thema gesagt haben werden, wollen wir unseren Redebeitrag einem ganz anderen Elend widmen, welches sich seit dem 2. Mai 2020 nahezu allwöchentlich samstags ab 13 Uhr in der Hamelner Innenstadt abspielt. Die Rede ist von den anfänglich unter dem doch recht inhaltsarmen Credo: „Für unser Grundgesetz“ stattfindenden, andernorts oft unter dem Stichwort: „Hygiene-Demos“ bekannten und seit neuestem zu „Querdenker“-Treffen geadelten Versammlungen einer kruden Melange von Elendsgestalten unterschiedlichster Couleur.

Auch wenn es durchaus triftige Kritikpunkte an den Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie gibt, die dabei notwendig auch eine Kritik an Staat und Kapital umfassen, so ist es den Damen und Herren um einen angeblich „quer-denkenden“ und (vielleicht auch deshalb) ökonomisch erfolglosen Kochnischenhändler aus Hameln bis dato nicht gelungen, eine solche (vernünftige Kritik) zu formulieren und diese dann auch noch in einer Form vorzutragen, die seine Veranstaltungen für Verschwörungsideologen, Impfgegner und andere geistige Nichtschwimmer unattraktiv werden lassen.

Dass es dem besagten Kochnischenquerdenker, der sich zumindest öffentlich weitgehend bedeckt hält, nicht gelingt, Vernünftiges zur Corona-Pandemie zu sagen, macht ihn durchaus noch nicht zu einem Attila Hildmann oder Ken Jebsen, auch wenn er zumindest letzterem auf facebook durchaus nicht abgeneigt zu sein scheint. Würde sich der Hamelner Chef-Querdenker die Frustration über seine ökonomische Erfolglosigkeit ehrlich eingestehen und in Folge dessen zusammen mit den Menschen, die ebenfalls von seinem Laden leben, staatliche Hilfen einfordern, so wäre dies zwar immer noch nicht unsere Baustelle, doch im Rahmen des falschen Ganzen durchaus nachvollziehbar. Dass er sich über dieses Motiv jedoch ausschweigt und statt dessen unter dem moralisch fragwürdigen Einsatz von Kind, Kegel und leidlich motivierten Angestellten allwöchentlich in der Hamelner Innenstadt auftaucht, um die Corona-Pandemie in eine Inszenierung finsterer Mächte umzulügen und dabei Menschen eine Bühne sowie einen Anlaufpunkt bietet, die sonst (vollkommen zurecht) allein vor ihrem Computer von der großen Verschwörung fabulieren, nehmen wir ihm ganz persönlich übel. Gleichwohl erscheint es uns dabei bis dato nicht die Aufgabe von Antifaschistinnen und Antifaschisten zu sein, besagtem Küchenandi auf die Pelle zu rücken. Vielmehr wünschen wir ihm, dass es in seinem persönlichen Umfeld noch Menschen gibt, denen er nicht vollkommen egal ist und die sich deshalb seiner annehmen und ihm klar machen, dass er sich derzeit viel nachhaltiger unmöglich macht als es eine Insolvenz jemals hätte erreichen können und dass es einen anderen Weg zum Umgang mit seinen (zum Wahn tendierenden) Problemen geben könnte.

Neben dem besagten Hauptverantwortlichen dieses Auflaufs der Irren hat sich bereits bei einer der ersten Veranstaltungen eine wohl etwas überengagierte Lehrerin der Elisabeth-Selbert-Schule eingefunden, die sich zwischen den lustlos Trommelnden und sich selbst durch das Tragen einer sogenannten „Querdenkerbommel“ der Lächerlichkeit preisgebenden Wutbürgern sichtlich wohlfühlt. Eben dieser Lehrerin ist es dabei zu verdanken, dass der eigentliche Sinn der Veranstaltung doch wenigstens einmal in aller Klarheit in einer Rede benannt wurde: So beklagte sie sich (sinngemäß), dass sie die ganze Woche nur auf Unverständnis stoße, wenn sie ihre „Meinung“ zur Corona-Pandemie vorbringe und dass sie sich daher – übrigens, ganz im Gegensatz zu uns – die ganze Woche schon auf Samstag freue, wo sie sich endlich mit Gleichgesinnten treffen könne, die ihr die unangenehme Erfahrung begründeten Widerspruchs zugunsten von gruppentherapeutischer Selbstbestätigung ersparen. Es geht ihr also, wie vermutlich den meisten Teilnehmern dieser Veranstaltungen, um das wohlige Gemeinschaftsgefühl einer Gruppentherapie, die Vermeidung von Widerspruch und – wie sich uns bei der Beobachtung ihrer Reden aufdrängt – um das kleine bisschen Rampenlicht, was einem die Bühne einer solchen Querdenkerzeremonie bietet. Welche „Meinung“ unter Nicht-Querdenkenden auf Widerspruch stößt, hat sie dabei in selbiger Rede ebenfalls ausbuchstabiert: Für sie stehe die obligatorische Mund-Nasen-Bedeckung nämlich (sinngemäß) für die Einführung von Zwangsimpfungen, die Abschaffung des Bargeldes, die Etablierung des unter Verschwörungsideologen für alle Übel der Moderne verantwortlichen 5G-Mobilfunkstandards und die Durchsetzung der Interessen einiger weniger Unternehmer, deren Namen sie selbstverständlich nicht nennen wollte, da es die klügeren Antisemiten nach dem Holocaust gelernt haben, dass eine entsprechende Andeutung bereits ausreicht, um Seinesgleichen bei Laune zu halten. Dass dieser Nonsens von den damals etwa 100 Anwesenden ausnahmslos beklatscht wurde, sagt Alles über die dort versammelte Meute aus. Zugleich sollte jedoch auch klar sein, dass diese sogenannten Querdenkerinnen und Querdenker für jeden Menschen, der mit dem Denken nicht ebenso auf Kriegsfuß steht wie sie, in aller Deutlichkeit als das erkennbar sein sollten, was sie sind: Elendsgestalten, um die ein großer Bogen zu machen ist! Wer dies nicht sieht oder sehen will, ist für Argumente (zumindest im Moment) nicht erreichbar und bereits Teil eines Wahngebildes.

Abgerundet wird dieser Rummel der Verwirrten seit einigen Wochen nun auch noch durch eine Rednerin aus Emmerthal, die sich durchaus auch einmal auf einer Neonazi-Demonstration ans Mikrofon begibt und im Umfeld der Hannoveraner PEGIDA-Knallchargen sowie der AfD unterwegs ist. Neben der Preisgabe allerlei sonstigen Unfugs erdreistete sich die besagte Volks-Brigitta erst kürzlich auf einer der Hamelner Therapiestunden, den derzeitigen Umgang mit den sogenannten Querdenkern mit der Behandlung von Juden im Nationalsozialismus zu vergleichen. Dass sie dies ohne erkennbaren Widerspruch tun konnte, sagt nochmals verschärft Alles über diese Versammlung aus und ist dabei jedoch zugleich ein Argument dafür, dass es in Zukunft doch einmal einer antifaschistischen Aktion gegen dieses Treiben bedürfte.

Wer also angesichts dieser Unerträglichkeiten gewillt ist, diesem Elend etwas entgegenzusetzen, der oder die kann sich beispielsweise jeden ersten Montag im Monat ab 20 Uhr im freiraum Hameln zu unserem „Offenen Treffen gegen jede Barbarei“ einfinden oder aber – was wir uns zwar wünschen können, aber selbstverständlich von niemanden verlangen würden – nach eigenem Ermessen aktiv werden. In diesem Sinne:

Aluhüte zu Altmetall!